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AutorenbildIrmgard Underrain

Salome ein „Echtzeit – Lichtspieltheater“ des Jung-Regisseurs Sebastian Kranner

»All my troubles on a burning pile. All lit up and I start to smile.«»Alle meine Probleme auf einem brennenden Haufen. Alles leuchtet und ich fange an zu lächeln.«

„Salome“ nach dem Stück von Oscar Wilde, das Basis für die Richard-Strauss-Oper war, in einer Fassung und Inszenierung einer sehr jungen, leidenschaftlichen Theatergruppe »Augentheater der Zukunft« – wurde vier Mal im Dschungel Wien aufgeführt. murtalinfo war am Samstag, dem 15. April bei der Dernière dabei.


Eine sehr mutige, eine außergewöhnliche Produktion. Ein „Echtzeit – Lichtspieltheater“ mit talentierten jungen Schauspielerinnen und Schauspielern und einem außergewöhnlichen Konzept. Zwei Jahre der Vorbereitung, der Beschäftigung mit dem Stück liegen zwischen der ersten Idee und der nunmehrigen Premiere, berichtet Sebastian Kranner (Sohn des Murtaler Gernot Kranner). Die Theatergruppe »Augentheater der Zukunft« besteht aus Nachwuchs-Künstler:innen unter der Leitung des Jung-Regisseurs Sebastian Kranner und zeigt Oscar Wildes Stück als Sprechstück aus der Perspektive der jungen Titelfigur Salome (Lea Witeschnik) in klaustrophobischem Setting. Eine Traumata-Aufarbeitung ohne Tabu. Salome ist eine sehr heftige Geschichte, noch heftiger gespielt in die heutige Zeit geholt und die Realität widerspiegelnd. Reißt mit, bringt den Atem zum Stocken.


In der Inszenierung von Sebastian Kranner ist die Geschichte eines 16-, vielleicht 17-jährigen Mädchens, das auf die Bühne kommt und sagt, dass sie es zuhause nicht mehr erträgt, weil ihr Stiefvater sie die ganze Zeit anglotzt. Wir steigen an einem Punkt in Salomes Leben ein, der ein Wendepunkt ist. Es ist der Moment, an dem sie – ihrem Alter entsprechend – beginnt, selbstständig zu denken, beginnt sich gegen ihre Eltern aufzulehnen, beginnt erwachsen zu werden. Da Salome in dieser Familie ohne moralische Werte aufwuchs, ist klar, dass sie nun ihren Eltern auf ebenso unmoralische Art entgegentritt.

Auf und teilweise neben der Bühne agiert immer wieder Andrea Gabriel – mit einer Live-Kamera, in der sie Salome beispielsweise auf Gängen hinter der Bühne und auf der Bühne filmt, um sie groß auf die Rückwand der Bühne zu projizieren. Auch in Szenen auf der Bühne wird vor allem Salomes Gesicht damit riesig, detailreich sichtbar.


Ein Teil des spartanischen Bühnenbildes (Katja Banovic) ist die Kegelbahn. Auf der Anzeige der Kegelbahn erscheinen immer wieder sogenannte Engelszahlen: 333, 000, 555, 666, 777, 999. Diese aus der esoterischen Numerologie kommenden 3-Ziffernfolgen stehen für Begriffe wie Gedanken, Gefühle, Potenziale, Unausgeglichenheit, Veränderung, Reflexion, Liebe, Entscheidung, die zu den verschiedenen Szenen passen.


Die Frage ist - wird das Opfer dadurch selbst zur Täterin?

„Alter Ego“ bzw. „Schutzengel“ (Hannah Rehrl), ist noch vor Salome, welche fast akrobatisch aus einer hochgelegenen Nische des Theatersaals auf die Spielfläche kommt, auf der Bühne.


Das StückSalomes Mutter „Herodias“ (Rebecca Richter) und ihr Stiefvater „Herodes“ (Filipp Peraus) geben einen königlichen Empfang. Herodes ist zugleich Salomes Onkel, da dieser Salomes Mutter seinem Bruder geraubt hat. Herodes glotzt seine Stieftochter Salome ständig mehr als lüstern an. Darauf entfernt sie sich vom königlichen Empfang, kommt aus der hochgelegenen Nische auf die Bühne und entdeckt den in einer Gefängniszelle „Lichtkreis“ gefangenen inhaftierten Propheten Johanaan (Colin Johner). Der äußert sich immer und immer wieder in Dauerschleife mehr als abfällig über Herodias. Salome findet Gefallen an ihm, verspürt Lust nach seinem Körper, erfährt von ihm jedoch nur Ablehnung.

Als ihr Stiefvater von ihr mehr verlangt als sie nur anzuglotzen, sondern für ihn zu „tanzen“ und auch das noch nicht alles ist, willigt sie widerwillig ein, mit der Bedingung, ihr jeden Wunsch zu erfüllen. Herodes geht auf die Bedingung ein. Salome tanzt, während ihre Mutter dem üblen Treiben tatenlos zusieht, den berühmten „Tanz der sieben Schleier“. Nach vollzogenem sexuellem Missbrauch verlangt sie, als Strafe für die Zurückweisung ihrer Liebe, den Kopf des Propheten Johanaan auf einem Silbertablett – um endlich dessen Mund küssen zu können. Eingehüllt in Tüchern wird ihr der Kopf übergeben, sie küsst den eingehüllten Kopf leidenschaftlich auf den Mund und wickelt in anschließend aus. Was sie dann sieht, bringt sie zum Schaudern. Es ist der Kopf ihrer Mutter „Herodias“. Wird das Opfer selbst zur Täterin?

Am Ende, nach der letzten Szene ein paar Sekunden Stille im Raum, ein Zögern, ob gerade jetzt applaudieren angesagt ist oder es noch eine Pause braucht um durchzuschnaufen. Doch die Leistung der sehr jungen, leidenschaftlichen Gruppe „Augentheater der Zukunft“ schreit natürlich nach kräftigem Beifall. Ein tosender Applaus durchbricht die kurze Stille und will fast nicht enden.


Cast & Crrew

Nach Oscar Wilde in einer Fassung von Sebastian KrannerInszenierung: Sebastian KrannerAusstattung: Laura HörmannVideo, Live-Kamera: Andrea GabrielDramaturgie: Anna BleiAnfertigung Bühnenbild: Katja BanovicRegieassistenz: Isabelle Papst (gebürtige Murtalerin)Ausstattungsassistenz: Lioba LibardiRegiehospitanz: Susanna SchlesierVideohospitanz: Malva Dziubas

Salome: Lea WiteschnikHerodias: Rebecca Richter (gebürtige Murtalerin)Herodes: Filipp PerausJohanaan: Colin JohnerSalomes Alter Ego bzw. „Schutzengel“: Hannah Rehrl

Kleine Salome im Video: Millicent JenkinsSujet: Andrea Gabriel Szenenfotos: Barbara Pálffy


Noch eine Info zu Sebastian Kranner:Der Sohn vom Murtaler Musical-Darsteller Gernot Kranner (der Professor Abronsius in "Tanz der Vampire"), entpuppt sich als Regie-Wunder. Sebastian ist mit 17 bereits Regisseur. Nach Gespenster (2018), Elektra (2019) und Fräulein Else (2020), ist Salome bereits seine vierte Produktion der 2017 von Sebastian Kranner ins Leben gerufenen Theatergruppe „Augentheater der Zukuft“.


Der Apfel fällt nicht weit vom Stamm – und wenn er es dann auch noch so erfolgreich macht, da kann der Herr Papa auch zu Recht richtig stolz sein. Sebastian Kranner ist die Liebe zur großen Bühne in die Wiege gelegt. Er ist besonders nah am Zeitgeist und damit auch an aktuellen Themen, wie der Auseinandersetzung mit der eigenen Psyche, der jugendlichen Sicht aufs Erwachsenenwerden, Traumata- Aufarbeitung durch Selbstreflexion, Thematisierung der Problembereiche sexuelle Übergriffe, Missbrauch, Nötigung und Vernachlässigung innerhalb der Familie.


Nach dieser Inszenierung wird Sebastian Kranner wieder als Regieassistent an der Staatsoper arbeiten (DIALOGUES DES CARMÉLITES) und damit ein Marathon-Kunststück zustande bringen: In einer einzigen Spielzeit als Regieassistent an der Staatsoper, an der Volksoper, am Theater an der Wien und bei den Bregenzer Festspielen engagiert zu sein. Einfach ein Ausnahmekünstler und das mit 22 Jahren.


Autorin und Fotocredit: Irmgard Underrain murtalinfo

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